Interview mit Gayatri Puranik

 

Welche Eigenschaften zeichnen Sie als erfahrene Unternehmerin aus? 

 

Vielen Dank für diese  Frage. Wahrscheinlich ist es mein interkulturelles Erfahrungswissen. Nach mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland bin ich nach wie vor von den Unterschieden in den sozialen Strukturen beider Länder fasziniert. Diese Faszination hat mir geholfen, wertvolle Einblicke in die deutsche Kultur und ihr Faible für Indien zu bekommen, insbesonders was natürliche und traditionelle Heilmethoden wie Ayurveda, Meditation, Yoga und Spiritualität anbelangt. Sie hat aber auch, und das ist vielleicht noch wichtiger, meine Sinne geschärft für die  Missverständnisse, die über Ayurveda verbreitet sind!

Dank meiner Erfahrungen mit beiden Ländern habe ich gelernt, eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, objektiv und ohne emotionale Aufregung auf ein Problem zu schauen, ruhig zu bleiben und lösungsorientiert zu handeln. Die Tatsache, dass ich Ayurveda in einem Land vertrete, in dem diese Lehre zunächst fremd war, hat dieses Lernen noch verstärkt. Zum Beispiel unterscheidet sich Ayurveda als eine ganzheitliche Wissenschaft und ein von Natur aus personalisiertes System, deutlich von dem, was man sonst als moderne Wissenschaft bezeichnet und die sich ihren Stellenwert eher durch die Verwendung moderner Geräte verdient hat.

 

Können Sie uns etwas über Ihren frühen Bildungsweg und die Branchenerfahrung, die Sie mitbringen, berichten? 

 

Meine Schulausbildung habe ich in Mumbai und Bangalore abgeschlossen und schließlich meinen BA in Wirtschaft und Psychologie absolviert. Danach ging ich nach Deutschland, um angewandte Linguistik, Übersetzung und Dolmetschen zu studieren. All dies bot mir eine gute Kombination aus akademischem und praktischem Lernen. Als Studentin in Deutschland habe ich durch  Studentenjobs Einblicke in verschiedene Industriebranchen gewonnen. Meine wichtigsten Erfahrungen machte ich jedoch im indischen Familienunternehmen Shree Dhootapapeshwar, das  ayurvedische Arzneimittel herstellt. Schon bald begann ich, für Ayurveda eine Verbindung zwischen Indien und Deutschland aufzubauen. Übrigens, genau wie in der Wirtschaft, geht es auch im Ayurveda darum, dass man sich rechtzeitig und in der erforderlichen Qualität und Quantität mit Nahrung, Lebensstil und Sinneseindrücken versorgt. Das bringt nicht nur Disziplin mit sich, sondern wirkt positiv auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden, was sich sogar auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken kann.

 

Was hat Sie motiviert, die OM Vital GmbH zu gründen? Welche Idee liegt dem Unternehmen zugrunde und was sind seine besonderen Merkmale?

 

Bevor ich die OM Vital Vertriebs GmbH gründete, hatte ich bereits ein eigenes Unternehmen und importierte ayurvedische Produkte von der indischen Muttergesellschaft. Mein Vater hatte die Vision, das Gute des Ayurveda international für alle zugänglich zu machen. In einer befreundeten Yoga-Ayurveda-Schule in Italien erlernte ich nicht nur Sprache und Kultur, sondern auch die kulturellen Anforderungen des Marktes einzuschätzen. Später, nach meinem Studium in Deutschland, war ich aktiv auf der Suche nach Geschäftspartnern für unser Familienunternehmen. Die Gespräche mit potenziellen Unternehmen zeigten, dass das Interesse an Ayurveda zwar vorhanden war. Doch zögerten die größeren Unternehmen zu investieren, während die kleineren zwar idealistisch waren, aber nicht in der Lage zu investieren. So entstand die Idee, selbst mit dem Import zu beginnen und kleinere Unternehmen zu beliefern. Damit war die OM Vital GmbH geboren. 

Die Produktpalette des Unternehmens umfasst handverlesene, traditionelle ayurvedische Produkte sowie kuratierte Inhalte.  Sie stammen von Unternehmen, die die hohen Standards, die ayurvedischen Prinzipien und das Wissen über die ayurvedische Lebensweise teilen. Viele meiner Kunden sind begeistert von den spürbaren gesundheitlichen Vorteilen des Ayurveda . 

Die Kaash-Schale zum Beispiel ist ein einfaches, aber erstaunliches Werkzeug für eine Fußmassage und bietet eine ganze Reihe von Vorteilen auf körperlicher, geistiger, sensorischer und emotionaler Ebene. In ähnlicher Weise wird die Bedeutung bestimmter Kräuter wie Ashwagandha, Kurkuma und Ingwer gerade erst erkannt. Klassische Rezepturen wie Triphala oder Chyavanprash haben es im Ausland schwerer, die gleiche Aufmerksamkeit zu erlangen. Leider bleiben die Vorteile von Ayurveda in vielen Bereichen der Gesundheit und des Wohlbefindens von der modernen Wissenschaft weitgehend unberücksichtigt. 

 

Welche Aufgaben übernehmen Sie als CEO der Organisation und was sind ihre aktuellen Schwerpunkte in dieser Funktion? 

 

Als Geschäftsführerin der OM Vital GmbH liegt mein Fokus in erster Linie darauf, traditionelle ayurvedische Produkte mit den Marktgegebenheiten in Deutschland und Europa in Einklang zu bringen. Am Arbeitsplatz bin ich natürlich dafür verantwortlich, dass alle Prozesse reibungslos ablaufen. Ich prüfe unsere zukünftige Ausrichtung und sorge dafür, dass die Menschen und Abläufe, mich eingeschlossen, auf dem eingeschlagenen Weg bleiben. In der Praxis sorge ich dafür, dass die Lieferkette termingerecht funktioniert, dass Qualitäts- und Gesetzesanforderungen eingehalten werden und die Kundenzufriedenheit stimmt.

 

Mit welchen Herausforderungen sind Sie in ihrer derzeitigen Funktion konfrontiert und wie bewältigen Sie diese Herausforderungen? 

 

In der jüngsten Vergangenheit hatten wir durch Covid erhebliche Unterbrechungen in der Lieferkette mit Auswirkungen auf unseren Umsatz. Die Pandemie hat uns wirklich turbulente Zeiten beschert. Aufgrund der Beschaffenheit der ayurvedischen Produkte und der regulatorischen Anforderungen ist es nicht immer eine gute Idee, kurzerhand den Lieferanten zu wechseln. Deshalb entschieden wir uns, eine parallele Produktpalette einzuführen – zum Beispiel haben wir das Maha-Narayan-Öl von zwei Lieferanten erhalten. Beide Öle sind von gleichermaßen hoher Qualität und weisen dabei wegen ihrer Herkunft Unterschiede in Textur, Rezeptur oder Farbe auf, die sie besonders machen. Ein weiterer Lösungsansatz: Aufgrund des geringeren Angebots hatten wir Platz im Lager, den wir durch das Angebot von Lager- und Fulfillment-Dienstleistungen gewinnbringend nutzen konnten. Man muss die Kosten analysieren, bevor man eine Gelegenheit oder eine Wissensbasis monetarisiert. 

Eine langfristige Herausforderung bleibt die Frage der indischen Kräuter in Europa. Die Regularien sind nicht einfach. Auf europäischer Ebene bleibt die gleichberechtigte Akzeptanz von ayurvedischen Kräutern eine langfristige Herausforderung.

Aber noch größer war die Herausforderung  durch unerwartete und schwerwiegende Umwälzungen innerhalb der Familie und des Unternehmens. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass eine wahllose Vermischung von praktischen und emotionalen Denkweisen sowohl dem subjektiven Verständnis als auch der rationalen Logik widerspricht. Die  Notwendigkeit des Umgangs mit emotionalen Aspekten des menschlichen Verhaltens am Arbeitsplatz, insbesondere in Familienunternehmen, ist nichts Neues. Aber es ist ein Aspekt, bei dem Frauen definitiv die traditionelle Vertrauensseligkeit ablegen sollten und sich bewusster und energischer einbringen müssen als bisher. Ein deutsches Sprichwort drückt es treffend aus: „Vertrauen ist gut, Vorsicht ist besser.“

 

Geben Sie uns abschließend noch einen Ausblick in die Zukunft? 

 

Ayurveda birgt eine Fülle an anwendbarer Weisheit zur Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung von Gesundheit. In meiner Zukunftsvision hoffe ich, Ayurveda in dem Maße präsentieren zu können, wie es ihm gebührt: als eine allumfassende Wissenschaft des Lebens.

 

 

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